Freitag, 19. Februar 2016

Die Siebensachen





Die Siebensachen


Es war einmal ein Vater. Der schenkte seiner Tochter eine kostbare Tasche. Für deine "Siebensachen," sagte er. Der Vater machte nie viele Worte.
An welche "sieben Sachen" denkst du, fragte die Tochter. 
"Das musst du selbst herausfinden", antwortete der Vater,
„Diese Tasche wird dir Glück bringen, füllst du sie mit den richtigen sieben Sachen!“
Da ging die Tochter des Weges und überlegte, wie die Tasche zu füllen sei.

F r e i h e i t fiel ihr als erstes ein. Freiheit fülle ich ins größte Fach!
Sie packte alle Freiheiten hinein, die sie lockten, die das Leben ihr bot. Eine nach der anderen. Nicht lange
danach verliebte sich die Tochter.
Leichtfüßig ging sie durchs Land. Die sieben Himmel der Glückseligkeit taten sich ihr auf. Und sie sammelte alle Funken der Liebe ein, die ihr entgegen sprühten.

L i e b e dachte sie, kannst du nie genug haben.
Sie füllte sie mit glücklicher Hand in ihre Tasche.

Und dann fiel ihr ein drittes ein:
V e r t r a u e n !
Sie saß auf einem Stein, die Beine hochgezogen und träumte vor sich hin. Ohne Vertrauen -
so dachte sie - geht nichts.
Ohne Vertrauen zerbrechen Freundschaften.
Ohne Vertrauen wachsen Ängste ins Uferlose, verliert die Liebe ihre Farbe.
Auf etwas vertrauen können, an etwas glauben können muss der Mensch. Das gibt ihm Halt zum
Weitergehen.
Sie sprang auf und sortierte Vertrauen in die großen Seitenfächer ihrer Tasche. Nach dem ersten Eifer verlor
die Tochter die Lust, weiter nach den Siebensachen zu suchen. Sie hatte Wichtigeres zu tun. Sie stellte die
Tasche in eine Ecke und hängte sich einen leichten Beutel über die Schulter.
So tauchte sie unter im Getriebe der Tage.
Was auf sie zu kam, kam auf sie zu.
Was verloren ging, ging verloren.
Die Liebe litt Schmerzen.
Die Freiheit nahm Züge von Verlorenheit an.
Sieben Jahre gingen so ins Land.
An einer Wegkreuzung hielt die Tochter an, die Jahre zu überdenken.
Ein Kunterbunt wirbelte durch ihren Kopf.
Sie erinnerte sich an vieles, an Reisen durch die Welt, an Glücksmomente, an Strähnen
der Trauer, an Stillstand und Aufbruch.
Da fiel ihr die Tasche wieder ein.
Sollte sie wieder anfangen zu suchen nach den wichtigen Siebensachen?

W a c h s a m k e i t schoss es der Tochter durch den Kopf.
Wachsamkeit gehört noch in meine Tasche. Ohne Wachsamkeit läuft nichts!

Und an M u t dachte sie. Davon brauche ich ganz viel, sagte sie sich.
Mut gehört für mich zu den wichtigsten Siebensachen. Er ist die Triebfeder zum
Vorwärts kommen!

Auch T o l er a n z legte sie behutsam hinzu. Toleranz, die zulässt
und auffängt. Toleranz, die den Horizont weitet, Toleranz, unter der Verstehen
aufblüht im Grau des Alltags.

Aber - sprach der Vater nicht von „sieben“ Sachen?
Die Tochter hatte erst sechs gesammelt.
Sie überlegte: Freiheit - - Liebe - Vertrauen - Wachsamkeit - Mut -
Toleranz. Die Tasche war schon voll und sehr schwer.
Konnte sie noch mehr aufnehmen?
Waren sechs Dinge nicht genug?
Was könnte zum Glück noch fehlen?
Ein wenig ratlos ging die Tochter ihrem Tun nach.
Sie malte gerne und schnitzte.
Nach sieben Tagen legte sie ihr Schnitzmesser an die Seite.
Vor ihr stand eine Holzfigur. „Hoffnung“ nenne ich dich,
flüsterte sie und stellte die kleine „Hoffnung“ ins Licht ihres Fensters.

H o f f n u n g, ich hab es gefunden, rief die Tochter überglücklich.
Die Hoffnung fehlte noch!
Und sie füllte Hoffnung in die letzten Freiräume und Ritzen der Tasche.
Hoffnung oben drauf als letztes und siebtes der Siebensachen.
Vorsichtig schloss sie nun ihre Tasche.
Und –sie staunte –
beim Hochheben war sie nun federleicht.
Da wusste die Tochter,
dass das Maß stimmte, dass mit der Hoffnung
die Gewichte des Lebens tragbar werden.

(Verfasser unbekannt)



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